
Praxisregister Schmerz: Datenschutzgutachten offenbart Mängel und Intransparenz
Gesundheitsdaten gelten als sehr wertvoll. Zunehmend werden Ärzten unter anderem Geld oder andere Vorteile im Tausch gegen Gesundheitsdaten angeboten. Erneut übt das Netzwerk Datenschutzexpertise in einem Gutachten scharfe Kritik an dieser Praxis – dieses Mal am Praxisregister Schmerz. Das Register wird von der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS) und der Firma O.Meany betrieben. Es sammelt seit 2014 mithilfe von Fragebögen und Arztinformationen umfangreiche Gesundheitsdaten von Schmerzpatientinnen und -patienten. Nach Einschätzung des Netzwerks werden dabei Datenschutzrechte missachtet und mit sensiblen Patientendaten erhebliche Gewinne erzielt.
"Rechtlich unwirksame Einwilligungserklärungen"
Die Daten würden unter dem Vorwand der Gemeinnützigkeit und mit wissenschaftlich fragwürdigen Auswertungen vor allem für die Pharmaindustrie vermarktet. "Mit intransparenten Informationen und rechtlich unwirksamen Einwilligungserklärungen beschaffen sich die Betreiber bei Patienten und Heilberufen mit dem Ziel einer guten Behandlung von den Patienten sensitive Gesundheitsdaten, die dann unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit mit aus wissenschaftlicher Sicht fragwürdigen Auswertungen für die Pharmaindustrie zu Geld gemacht werden. Eine Offenlegung der Praktiken wird verweigert", heißt es in dem Gutachten (PDF).
Die Information an die Patienten und Ärzte über die tatsächliche Verwendung der Daten sei intransparent. Eine Offenlegung der genauen Praktiken wird von den Verantwortlichen verweigert. Auf Fragen von heise online, etwa, an wen und unter welchen Umständen die Daten verkauft werden, hat die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin bisher nicht reagiert.
Die Dokumentation erfolge über die Online-Plattform iDocLive, die als Ergänzung zum Praxisverwaltungssystemen eingesetzt werde. Die im Register gespeicherten Daten dienen nicht nur der Behandlung und Abrechnung, sondern würden auch für Forschungszwecke genutzt. Hinter dem Handel mit den Daten steht Privatdozent Michael A. Überall, der in mehreren Funktionen an zentraler Stelle eingebunden ist. Das hatte der Spiegel im März offengelegt.
"Fragwürdiger Interessenkonflikt"
Aus den Recherchen ging hervor, dass Überall mit seiner Firma O.Meany eine Software namens iDocLive betreibt, die für die Verwaltung der Patientendaten dient. Die Patienten müssen für das Praxisregister Schmerz die Schmerz-Fragebögen und das Schmerz-Tagebuch ausfüllen. Den Interessenkonflikt fand die ehemalige DSG-Vorständin Astrid Gendolla fragwürdig. Kritische Nachfragen wurden abgetan. "Das ganze System dient vor allem dem Wohle desjenigen, der die Daten besitzt und damit Geld verdient. Das sind weder die Patienten noch die Ärzte", sagte Gendolla gegenüber dem Spiegel.
"Gemäß der Darstellung des Spiegelberichts besteht eine zentrale Funktion des Praxisregisters darin, durch die Auswertung der gesammelten Daten der DGS mbH (20 Prozent) und der O.Meany (80 Prozent) lukrative Einnahmen zu generieren, ohne dass dies den die Daten liefernden Patienten und Ärzten bewusst ist", steht dazu im Gutachten. Laut Spiegel werden die Daten unter anderem von Pharmaunternehmen genutzt, um die Wirksamkeit bestimmter Arzneimittel gegen Schmerzen zu belegen. Die Ergebnisse fielen im Beispiel des Schmerzmittels Tapentadol von der Pharmafirma Grünenthal positiv aus. Überall habe zudem zahlreiche Zuwendungen und Aufträge von Grünenthal und ähnlichen Unternehmen erhalten. Die Wissenschaftlichkeit der Ergebnisse wird infrage gestellt.