
Österreichs Regulierer: Keine digitale Souveränität ohne Infrastruktur
"Alle reden von Digitalisierung und digitaler Souveränität", eröffnet Klaus Steinmaurer das Gespräch mit heise online, "Wir müssen bei der Infrastruktur anfangen, damit man das alles machen kann." Das heißt: Ein technischer Rahmen, zu dem Glasfaser, Rechenzentren und deren Stromversorgung gehören, sowie ein dazu passender rechtlicher Rahmen. "Dann kommen die Unternehmer", ist sich der Österreicher sicher. Steinmaurer ist Geschäftsführer Telekommunikation und Post der österreichischen Regulierungsbehörde RTR.
"Es fehlt an einer Gesamtstrategie auf nationaler Ebene", stellt Steinmaurer beim Gespräch mit heise online im Mai in Wien fest. Die EU habe 2021 mit dem digitalen Kompass für die digitale Dekade ein Programm auf den Weg gebracht, doch fehle das rot-weiß-rote Pendant: "In Österreich wird immer noch diskutiert, warum wir im Wirtschaftswachstum hinten sind. (...) Wir sind noch im Industriezeitalter, und im digitalen noch nicht ganz angekommen." Gleichwohl sei das kein Alleinstellungsmerkmal: "Die Deutschen bauen Verbrennermotoren, die wir nicht mehr brauchen."
Digitale Souveränität: "Keine vorteilhafte Lage"
Bei digitaler Souveränität sei der Europäische Wirtschaftsraum "nicht in einer vorteilhaften Lage. Auch wenn Microsoft sagt, was sie alles in Europa machen, garantiert das nicht, dass nicht abgeschaltet wird in der EU". Große börsennotierte Unternehmen seien schon heute gehalten, einen Plan B, mit Ausstieg aus Microsoft, zu haben.
Um digitale Souveränität auf den Weg zu bringen, "müssen wir viel Geld in die Hand nehmen. Wenn es gelingt, amerikanischen Konzernen 10 bis 20 Prozent Marktanteil wegzunehmen, werden sie so nervös, dass (die Abschaltung) dann eh nicht passiert." Auf Nachfrage musste der Behördenleiter allerdings zugeben, dass auch die RTR (Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH) gerade auf Microsoft umgestellt hat.
Gleichzeitig weiß er: "Es gibt Alternativen." Diese auszurollen, werde nicht billig, müsse aber EU-weit in Angriff genommen werden. "Nationale Einzelgänge haben da keinen Sinn." Zusatz: "Auch wenn wir uns mit Amerika wieder anfreunden, müssen wir da drauf bleiben." Um eigenständig sein zu können, müsse die Abnabelung in allen Richtungen erfolgen: "Ich sehe die Gefahr auch bei Russland, dass wir (im Frieden) die Pipelines wieder aufdrehen."
Noch sind sie gar nicht zugedreht. Die amtierende EU-Kommission möchte den Gasimport aus Russland immerhin bis Ende 2027 auslaufen lassen. Doch erst vergangene Woche hat die österreichische Staatssekretärin Elisabeth Zehetner (ÖVP) für Aufsehen gesorgt: Die EU solle offen bleiben für Gasimporte aus Russland, sobald Frieden mit der Ukraine hergestellt sei. Diese Position hat Zehetner herbe Kritik eingebracht.
EU-Verordnungen könnten besser harmonieren
Unerledigte Hausaufgaben ortet Steinmaurer auch im EU-Recht: "Die EU hat viel gemacht, aber nicht darauf geschaut, dass das alles zusammenpasst. Man kann den AI Act nicht ohne DSGVO lesen." Beispielsweise gäbe es für ähnliche Themen unterschiedliche Zuständigkeiten – da ist es kein Zufall, dass Steinmaurer die zukünftige KI-Regulierung in Österreich bei seiner RTR ansiedeln würde. Sie betreibt bereits die offizielle österreichische Servicestelle für Künstliche Intelligenz, die unter anderem bei der Umsetzung des europäischen AI Act unterstützt.
"Wenn ich will, dass Wettbewerb entsteht, muss ich schauen, dass möglichst viele Zugang zu den Kernelementen haben. Das sind erstens Netze, zweitens Daten", unterstrich Steinmaurer. Das Problem: Während KI möglichst viele Daten haben will, setzt die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) auf Datenminimierung. "Eigentlich müsste man sämtliche generative Modelle verbieten."
Die unterschiedlichen EU-Verordnungen müssten "kritisch hinterfragt" werden: "Einige Dinge kann man sicher ausmisten. Die Acts müssen miteinander funktionieren." Beispielsweise verlange die DSGVO vor dem Einsatz Künstlicher Intelligenz häufig eine sogenannte Datenschutz-Folgeabschätzung. Artikel 27 des AI Act schreibe bei als hochriskant eingestuften KI-Systeme eine grundrechtliche Folgenabschätzung vor. Warum man das separat machen muss, erschließt sich Steinmaurer nicht: "Das können sich Große leisten, Kleine nicht." Der Aufwand könne durch bessere Verschränkung der beiden Verordnungen gesenkt werden.