
Kreislaufwirtschaft: Wie Recycling-Akkus KI-Rechenzentren nachhaltiger machen
Auf einem sandigen Industriegelände außerhalb von Reno im US-Bundesstaat Nevada versorgen viele Reihen von Batteriepacks, die einst Elektrofahrzeuge antrieben, ein kleines KI-Rechenzentrum mit Strom. Redwood Materials, eines der größten Batterierecycling-Unternehmen der USA, hat die Anlage kürzlich während einer Pressetour präsentiert. Die Energiespeichermodule stehen auf Betonblöcken und sind mit wasserdichter Folie umwickelt.
Die Veranstaltung markierte den Start eines neuen Geschäftsbereichs der Firma, der zunächst Batterien mit einer Restlebensdauer von mehreren Jahren wiederverwenden wird, anstatt sie zu recyceln. Entstehen sollen sogenannte Microgrids. Solche kleinen Energiesysteme können innerhalb oder außerhalb eines größeren Stromnetzes betrieben werden und Unternehmen oder ganze Gemeinden mit Strom versorgen. Redwood Materials gibt an, dass viele der zum Recycling angenommenen Batterien noch mehr als die Hälfte ihrer Kapazität besitzen. "Wir könnten viel mehr Wert aus diesen Materialien herausholen, indem wir sie vor dem Recycling in einem Energiespeicherprojekt einsetzen", sagt JB Straubel, Gründer und Geschäftsführer des Konzerns.
Wie alte E-Auto-Batterien KI-Rechenzentren mit Strom versorgen
Das erste Microgrid, das auf Firmenboden im Tahoe Reno Industrial Center untergebracht ist, wird mit Sonnenkollektoren als Stromquelle betrieben und kann 64 Megawattstunden Strom bereitstellen, was es schon jetzt zu einem der größten Systeme dieser Art in den USA macht. Der Strom fließt zu Crusoe, einem ehemaligen Kryptowährungs-Miner, der sich inzwischen auf die Entwicklung von KI-Rechenzentren verlegt hat – und neben dem Gelände mit den wiederverwendeten E-Auto-Batterien eine Anlage mit 2.000 Grafikprozessoreinheiten (GPUs) errichtet hat.
Für moderne Rechenzentren ist das allerdings winzig: Crusoe entwickelt längst ein 500 Milliarden US-Dollar teures KI-Rechenzentrum für OpenAI und andere Anbieter in Abilene, Texas, wo laut Forbes bis Ende des Jahres 100.000 GPUs in den ersten beiden Abschnitten installiert werden sollen. Das Projekt von Redwood unterstreicht das wachsende Interesse daran, Rechenzentren teilweise oder vollständig außerhalb des regulären Stromnetzes zu betreiben. Solche Microgrids wären nicht nur schneller zu bauen als herkömmliche Kraftwerke, sondern die Verbraucher müssten auch nicht für die Kosten neuer netzgebundener Anlagen aufkommen, die für die Versorgung von KI-Rechenzentren aufgebaut werden.
Zweites Leben für E-Auto-Batterien
Da Redwood wiederverwendete Batterien nutzt, die bereits aus Fahrzeugen ausgebaut wurden, sollten die Microgrids des Unternehmens laut eigenen Angaben auch deutlich günstiger sein als solche, die aus neuen Batterien zusammengebaut werden. Das Netz von Redwood Energy könnte Strom für jede Art von Betrieb erzeugen. Das Unternehmen betont jedoch, dass sie sich ideal für den wachsenden Energiebedarf und die Klimagasemissionen von Rechenzentren eignen. Der Energieverbrauch solcher Einrichtungen könnte sich bis 2030 verdoppeln, was laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur vom April hauptsächlich auf den enormen Energiebedarf der KI zurückzuführen ist.
"Speicher sind die perfekte Technologie, insbesondere kostengünstige Speicher, um jedes dieser Probleme anzugehen", sagt Straubel. Das Tahoe Reno Industrial Center ist Epizentrum eines Booms bei der Entwicklung von Rechenzentren im Norden Nevadas, der wachsende Bedenken hinsichtlich der Klimagasemissionen und des übermäßigen Energie- und Wasserverbrauchs ausgelöst hat, wie die US-Ausgabe von MIT Technology Review recherchiert hat. Straubel sagt, dass die Vielzahl an Rechenzentren, die in der Umgebung entstehen, "logische Ziele" für sein neues Geschäftsfeld seien, betont aber auch, dass in den expandierenden Rechenzentrumsclustern in Texas, Virginia und dem Mittleren Westen Wachstumschancen bestehen. "Wir führen Gespräche mit einem breiten Querschnitt dieser Unternehmen."
Crusoe, das auch Cloud-Dienste anbietet, hat kürzlich ein Joint Venture mit der Investmentfirma Engine No. 1 angekündigt, um KI-Unternehmen "powered data center real estate solutions" durch den Bau von neuen Erdgaskraftwerken mit einer Leistung von 4,5 Gigawatt anzubieten: Rechenzentrum samt Land und Energie. Das Microgrid von Redwood soll mehr als 99 Prozent des Strombedarfs der lokalen Einrichtungen von Crusoe decken. Bei längeren Perioden mit wenig Sonnenlicht, was in der Wüste von Nevada selten vorkommt, könnte das Unternehmen weiterhin auf das Standardstromnetz zurückgreifen. Cully Cavness, Mitbegründer und Chief Operating Officer von Crusoe, sagt, dass das Unternehmen bereits KI-Anfragen verarbeitet und Inference-Ausgaben für seine Kunden in der Anlage in Nevada erstellt. Die größeren Rechenzentren sind allerdings für den rechenintensiveren Prozess des Trainings von KI-Modellen vorgesehen.
Vorteil von solarbetriebenen Microgrids
Der neue Geschäftsbereich von Redwood ist ein Testfall für eine Strategie, die Ende letzten Jahres in einem Paper von Fachleuten vorgestellt wurde, in dem das Potenzial von solarbetriebenen Microgrids für die Energieversorgung von KI-Rechenzentren hervorgehoben wurde. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass diese Systeme viel schneller gebaut werden könnten als Erdgaskraftwerke. Als Energiequelle für Rechenzentren wären sie in der Regel nur geringfügig teurer, solange die Anlagen gelegentlich auf Erdgasgeneratoren zurückgreifen könnten, um längere Zeiten mit geringer Sonneneinstrahlung zu überbrücken.
Wenn solarbetriebene Microgrids zur Stromversorgung von 30 Gigawatt neuen KI-Rechenzentren mit nur zehn Prozent Backup durch Erdgas eingesetzt würden, könnten laut der Studie 400 Millionen Tonnen CO₂-Emissionen im Vergleich zum vollständigen Betrieb der Zentren mit Erdgas eingespart werden. "Ein Rechenzentrum, das mit Solarenergie und Speicherkapazitäten betrieben wird, entspricht in etwa dem, was wir in unserer Studie befürwortet haben", sagt Zeke Hausfather, Klimabeauftragter des Zahlungsdienstleisters Stripe und Mitautor des erwähnten Papers. Er hofft, dass das neue Projekt von Redwood zeigen wird, dass "solche Systeme in der Praxis funktionieren", und andere Entwickler von Rechenzentren dazu ermutigen wird, nach ähnlichen Lösungen zu suchen.
Stetiger Nachschub an alten E-Auto-Batterien
Redwood Materials gibt an, dass E-Autos die am schnellsten wachsende Quelle für gebrauchte Batterien sind, und schätzt, dass in diesem Jahr mehr als 100.000 Elektrofahrzeuge aus dem Verkehr gezogen werden. Das Unternehmen testet jede Batterie, um festzustellen, ob sie wiederverwendet werden kann.
Diejenigen, die die Anforderungen erfüllen, werden in die modularen Speichersysteme integriert, die dann Energie aus Wind- und Solaranlagen speichern oder an das Stromnetz angeschlossen werden können. Wenn diese Batterien das Ende ihrer Lebensdauer erreichen, werden sie aus den Microgrids genommen und dem normalen Recyclingprozess des Unternehmens zugeführt.
Redwood gibt an, bereits über genügend wiederverwendbare Batterien zu verfügen, um Microgrids mit einer Leistung von einer Gigawattstunde zu bauen, die etwas mehr als eine Million Haushalte eine Stunde lang mit Strom versorgen könnten. Ferner hat die neue Unternehmenssparte mit der Entwicklung von Systemen begonnen, die zehnmal größer sind als das diese Woche vorgestellte Modell. Straubel geht davon aus, dass Redwood Energy zu einem wichtigen Geschäftsbereich werden und eines Tages sogar das Kerngeschäft des Unternehmens, das Recycling, übertreffen könnte. "Wir sind überzeugt, dass dies die kostengünstigste Lösung auf dem Markt ist", sagt er.
Dieser Beitrag ist zuerst bei t3n.de erschienen.