
Octopus Energy vergeigt Smart-Meter-Installation
Dies ist ein Beitrag aus unserer Magazin-Rubrik Vorsicht, Kunde!, der erstmals am 15.5.2025 in c't 11/2025 erschienen ist.
Martin B. wollte für seinen Haushalt gern einen modernen, dynamischen Stromtarif nutzen. Bereits Anfang 2024 schloss er dafür einen Stromliefervertrag mit Octopus Energy ab. Bestandteil des Vertrags war die kostenlose Installation eines Smart Meter beim Kunden. Das braucht man schließlich, um den Verbrauch auf die Viertelstunde genau zum jeweils geltenden Preis abrechnen zu können.
Der alte Zähler wurde also am 19. Juni 2024 ausgebaut und stattdessen ein Smart Meter installiert. Tags darauf fragte er bei Octopus an, wie es denn nun weitergehe und wann sein Tarif umgestellt werde. Darauf erhielt er umgehend die wenig erhellende Auskunft, dass es durch den Wechsel des Anbieters im Backend des Energieversorgers aktuell zu Verzögerungen bei der Anmeldung der Geräte im System komme. Der Wechsel der Abrechnungsmethode dauere in der Abstimmung mit den Verteilnetzbetreibern auch ohne diese Situation immer eine Weile, da dort eine aufwendige Marktkommunikation nötig sei. Für den Kunden entstehe jedoch kein Nachteil, da er bis zur Umstellung zu einem günstigen Übergangstarif beliefert werde.
Nun wartete Martin B. also auf die Umstellung seines statischen Tarifs auf einen dynamischen, bei dem er von niedrigen Strompreisen an der Leipziger Börse zu bestimmten Zeiten profitieren sollte. Doch es tat sich nichts. Am 8. August hakte er nach, weil er inzwischen vom Netzbetreiber eine Ablesekarte für seinen Zählerstand erhalten hatte. Am folgenden Tag erhielt er jedoch lediglich die Auskunft, dass man sich in Abklärung mit seinem Montagepartner befinde und sich melden wolle, sobald es eine Rückmeldung von dort gebe.
Aber niemand meldete sich. Am 24. August fragte Martin M. erneut und erhielt nun die Auskunft: "Es hat sich herausgestellt, dass es möglicherweise Probleme mit der automatischen Übertragung gab. Der Netzbetreiber hat diesbezüglich bereits eine E-Mail dazu von uns erhalten." Freilich arbeite man "mit Hochdruck" daran, seinen Fall so schnell wie möglich zu bearbeiten.
Einen Monat später erkundigte sich Martin M. erneut nach dem Tarifwechsel. Diesmal hieß es mit E-Mail vom 25. September, dass man den Prozess leider nicht beschleunigen könne, weil er außerhalb des direkten Einflussbereiches von Octopus liege. Man stehe jedoch in direktem Kontakt mit der verantwortlichen Stelle und tue sein Möglichstes, um die Umstellung so schnell wie möglich abzuschließen.
Auch im folgenden Monat geschah nichts und Ende Oktober hieß es auf weitere Nachfrage des Kunden: "Wir haben eine erneute Anfrage an die zuständige Stelle gestellt und warten auf die Rückmeldung."
Warten auf Octopus
Am 18. November meldete sich Octopus Energy tatsächlich von sich aus bei seinem Kunden zu dessen Tarif. Aber nicht etwa, um ihm endlich die Umstellung auf den gewünschten dynamischen Tarif mitzuteilen. Vielmehr erklärte man ihm, dass die Preisbindung im Übergangstarif nun auslaufe und sich zum Beginn des neuen Jahres der Grundpreis erhöhe, der Preis für die Kilowattstunde hingegen sinke. Er solle möglichst am 1. Januar über das Kundenportal seinen aktuellen Zählerstand melden.
Doch im Kundenportal war der alte Zähler hinterlegt, dazu mit absurden Zählerständen. Und am 13. Januar flatterte eine E-Mail von Octopus ins Postfach des Kunden, dass seine Belieferung mit Strom zum 18.06.2024 ende. Dabei wurde die Nummer des alten Zählers genannt. Eine Endabrechnung könne erst erfolgen, wenn der Stand des alten Zählers zum genannten Datum durch den Netzbetreiber bestätigt worden sei.
Nun wurde es für den Kunden immer abstruser, was er dem Anbieter per Mail vom 28. Januar aufzählte: Im Kunden-Account werde er als "nicht in Belieferung" geführt. Auch seien die Zählerstände ab dem Datum des Austauschs im Juni des Vorjahres nicht mehr plausibel. Am 4. Februar antwortete ihm Octopus, man prüfe nun, was es mit dem nicht mehr aktiven Vertrag auf sich habe.
Wieder geschah nichts. Am 5. März wandte sich Martin B. nun mit einer dringenden Beschwerde an den Energieversorger. Sein Kunden-Account sei gesperrt, obwohl er noch ein eingezahltes Guthaben von knapp 1500 Euro habe. Einen Abschlagsplan gebe es nicht mehr und die Monatsraten wurden auch nicht mehr abgebucht. Gleichzeitig gab der frustrierte Kunde eine negative Bewertung über das Unternehmen auf einem Bewertungsportal ab.
Lange Ausreden
Darauf meldete sich am 10. März jemand vom Bewertungsteam des Unternehmens und erläuterte dem Kunden lang und breit, welche Schwierigkeiten es mit der Software für die Registrierung der eingebauten Smart Meter beim Netzbetreiber gebe. Dem Kunden halfen all diese Informationen freilich kein Stück weiter. Immerhin bot man ihm eine Entschädigung in Form einer zusätzlichen 150-Euro-Gutschrift an.
Zumindest war nun klar, dass mit dem Zählerwechsel etwas gründlich schiefgelaufen war und noch immer nicht behoben wurde. Martin B. nahm die angebotene Gutschrift dankend an, wollte aber vor allem wissen, wie es denn mit der Stromlieferung weitergehen sollte. Am 12. März erhielt er die Endabrechnung bis zum 18. Juni 2024 und darauf eine Gutschrift von 200 Euro.
Wegen des neuen Zählers müsse man auf das Subunternehmen warten. Wenn er weiter in Belieferung bleiben wolle, müsse der Kunde mit der alten Zählernummer einen neuen Vertrag abschließen. Man werde den Wechsel dann nachträglich eintragen. Am 13. März wies Martin B. auf den bestehenden Vertrag hin und darauf, dass man ihm die eventuellen Mehrkosten erstatten müsse, falls er aufgrund der Versäumnisse des Energieunternehmens in die Grundversorgung fallen würde.
Immer wieder bekommen wir E-Mails, in denen sich Leser über schlechten Service, ungerechte Garantiebedingungen und überzogene Reparaturpreise beklagen. Ein gewisser Teil dieser Beschwerden ist offenbar unberechtigt, weil die Kunden etwas überzogene Vorstellungen haben. Vieles entpuppt sich bei genauerer Analyse auch als alltägliches Verhalten von allzu scharf kalkulierenden Firmen in der IT-Branche.
Manchmal erreichen uns aber auch Schilderungen von geradezu haarsträubenden Fällen, die deutlich machen, wie einige Firmen mit ihren Kunden umspringen. In unserer Rubrik „Vorsicht, Kunde!“ berichten wir über solche Entgleisungen, Ungerechtigkeiten und dubiose Geschäftspraktiken. Damit erfahren Sie als Kunde schon vor dem Kauf, was Sie bei dem jeweiligen Unter nehmen erwarten oder manchmal sogar befürchten müssen. Und womöglich veranlassen unsere Berichte ja auch den einen oder anderen Anbieter, sich zukünftig etwas kundenfreundlicher und kulanter zu verhalten.
Falls Sie uns eine solche böse Erfahrung mitteilen wollen, senden Sie bitte eine chronologisch sortierte knappe Beschreibung Ihrer Erfahrungen an: [email protected].
Veraltete Neuigkeiten
Am 19. März kam dann eine offenbar automatisierte E-Mail mit folgenden "Neuigkeiten" über vermeintliche Fortschritte beim Kunden an: Die Systemprobleme beim Dienstleister seien nunmehr gelöst und man setze nun alles daran, um die letzten noch nötigen Maßnahmen "schnell und reibungslos" umzusetzen. Und am 3. April erhielt er wieder von einem Mitarbeiter die Mitteilung, dass seit dem 18. Juni des Vorjahres kein Vertrag mehr bestehe und "technisch ein Riegel vorgeschoben" sei, da der Netzbetreiber die Abmeldung gesendet habe.
Bereits am 10. März hatte Martin B. die c’t-Redaktion auf seine Probleme aufmerksam gemacht. Deshalb fragten wir am 7. April bei der Pressestelle von Octopus Energy nach, warum man die ordnungsgemäße Registrierung des neuen Zählers beim Netzbetreiber nach fast einem Jahr und endlosem Schriftwechsel noch immer nicht bewerkstelligt habe.
Nur eine Woche später erhielt Martin B. einen Anruf von einem Octopus-Manager, der sich für alles entschuldigte und eine umfassende Lösung aller bisherigen Probleme in Aussicht stellte. Also vor allem die ordentliche Registrierung des Zählers ab Juni 2024, eine ordentliche Abrechnung für den Zeitraum seither und natürlich die Fortführung seines Vertrags.
Am 28. April erreichte uns dann eine Antwort von Octopus-CEO Bastian Gierull: Der Fall von Herrn B. stehe sinnbildlich für ein strukturelles Problem. Der Smart-Meter-Rollout in Deutschland sei seit über einem Jahrzehnt politisch gewollt, aber in der praktischen Umsetzung massiv überreguliert, technisch kompliziert und geprägt von Marktversagen, klagte der Manager. Es fehle vielerorts an Infrastruktur, an kompetenten Dienstleistern und an klaren Standards.
Viele Anbieter im Smart-Meter-Markt seien mit der Umsetzung überfordert. Deshalb habe sein Unternehmen seit Februar 2025 alle relevanten Prozesse und Kompetenzen rund um den Smart-Meter-Rollout ins eigene Haus geholt. Gleichzeitig arbeite man "weiterhin mit Hochdruck an der Nachbearbeitung jener Fälle, bei denen es im Zuge der früheren Partnerschaften und den ersten Installationen zu Problemen" gekommen sei.
Für Martin B. ist die Sache nach einer Odyssee von fast einem Jahr glimpflich ausgegangen. Aber nur, weil c’t sich eingeschaltet hat. Auf dem liberalisierten Energiemarkt tummeln sich leider auch Unternehmen, die das Geschäft nicht recht zu beherrschen scheinen. Würden Sie einem Bäcker verbrannte Brötchen abkaufen, nur weil der sich darüber beklagt, die Technik seines Backofens nicht richtig zu beherrschen? So komplex das mit den Smart Metern auch sein mag: Wenn man es nicht kann, muss man es halt lassen.